Kunstreise Schweinfurt: Von Spitzweg bis Hörl

Schweinfurt? Wer vom Namen allein auf das Flair der Stadt schließen mag und sie deshalb eher links liegen lässt, der begeht einen Fehler. Die Stadt, die ihre Wurzeln als Industrie-, Handels- und Arbeiterstadt hat sowie als eine der rund 50 ehemaligen Freien Reichsstädte besondere Bedeutung erlangte, blickt auf eine wechselvolle 1200-jährige Geschichte zurück. Deren Zeugnisse sind an zahlreichen Orten zu besichtigen und offenbaren einen ungeahnten Reichtum an kulturellen Angeboten, die das Ziel unserer diesjährigen Kunstreise mit 30 Personen waren. Moderne Architektur steht neben Bauwerken vergangener Jahrhunderte. Eine vielfältige Museen-Landschaft bedient zahlreiche Interessensgebiete.

Das Highlight ist sicher das im Jahr 2000 eröffnete, als architektonisches Meisterwerk von Volker Staab geltende Museum Georg Schäfer, das die größte Spitzweg-Sammlung der Welt beherbergt – und die Reisegruppe des Kunstvereins zudem mit der gerade stattfindenden Sonderausstellung zu Caspar David Friedrich erfreute. Oder auch die Kunsthalle, ein Ausstellungshaus im ehemaligen Ernst-Sachs-Bad. Sie widmet sich der modernen und zeitgenössischen Kunst in Schweinfurt. Und den Geist der alten Industriepioniere (Stichworte: Kugelfischer sowie Fichtel & Sachs) lassen ehrenamtlich engagierte Geschichtsfreunde im Kleinen Industriemuseum aufleben. Als Kleinod erweist sich das nur wenige Kilometer außerhalb gelegene Friedrich-Rückert-Poetikum in Oberlauringen, das ebenfalls dank ehrenamtlicher Tätigkeit am Leben erhalten. Hier weiß der Historiker Rudolf Kreutner als absoluter Rückert-Experte ein interessiertes Publikum sachkundig und unterhaltsam über den Poeten zu informieren.

Unser Kunstreise-Spezialist und Arbeitskreismitglied Hartmut Hahn, der das komplette Programm kurzweilig und logistisch perfekt organisiert hat, überraschte die Reisegruppe auf der Rückfahrt noch mit einem Atelierbesuch bei dem Bildhauer und Aktionskünstler Ottmar Hörl, der vor allem wegen seiner großflächigen Installationen (Gartenzwerge, Dürer-Hasen, Eulen in Athen, Goethe-Figuren vor der Uni Frankfurt oder Ampel-Männchen vor dem Römer) auf dem Römerberg) bekannt ist und unter anderem auch die – leider auch bei Dieben sehr beliebten – Zwerge vor dem Hofheimer Stadtmuseum aufgebaut hat. Der Künstler erntete für seinen ausführlichen und selbstbewusst vorgetragenen Rückblick auf seine bedeutendsten Werke ebenso viel Beifall wie Hartmut Hahn für seine Reiseleitung nach der Rückkehr ins heimische Hofheim.

Bernhard Schlink als Vorleser

Bernhard Schlink bei seiner Lesung in der Stadthalle. Foto: bmm

Der Andrang war groß, das Interesse an der Lesung mit Bernhard Schlink und seinem neuen Buch “Die Enkelin” riesig. Ganz sicher auch, weil der Autor mit seinem Bestseller “Der Vorleser”, der später auch mit Kate Winslet erfolgreich verfilmt wurde, international berühmt wurde. Ebenso wie als Schriftsteller einer Reihe von belletristischen Romanen hat Prof. Dr. Schlink aber auch eine Karriere als Jurist gemacht.

Aus „Die Enkelin“ las Bernhard Schlink im ausverkauften Malersaal der Stadthalle drei verschiedene Passagen vor. Die erste stammt aus dem Manuskript der verstorbenen Frau des Protagonisten Kaspar und spielt 1964 in Ostberlin. Es herrscht Aufbruchstimmung und Kaspar verliebt sich in seine zukünftige Frau.

Der zweite Text kreist um den Besuch des Protagonisten etwa 40 Jahre später in einer völkischen Blut- und Bodengemeinschaft in Nordostdeutschland. Dort sucht der unverhofft zum Großvater mutierte Kaspar seine Stiefenkelin.

Zum Schluss las Bernhard Schlink eine Textstelle vor, in der der Großvater versucht, sich mit dem ihm vollkommen fremden Weltbild der Enkelin auseinanderzusetzen und ihr Literatur, Musik und Kunst näherzubringen.

Moderiert von Angelika Schriever-Steinberg kam der Autor dann mit den Zuhörern ins Gespräch. Schlink berichtete von seinen Erfahrungen mit  StudentInnen und KollegInnen als Gastprofessor an der Humboldt Universität kurz nach dem Mauerfall und als Berater des Runden Tischs für eine neue Verfassung der DDR. Damit sich Ost- und Westdeutsche weiter näherkommen, sollten auch Westdeutsche mehr Interesse und Neugier zeigen; dies hätte schon viel früher durch breit organisierte Schüler- und Studentenaustausche in Gang gesetzt werden können.

Ein interessanter, gelungener Abend mit einem Weltautor beim Kunstverein Hofheim.

Unerhörtes wagen

Das Malion Quartett mit Alex Jussow (von links nach rechts), Miki Nagahara, Lilya Tymchyshyn, Alex Jussow und Bettina Kessler. Foto: MM

Mit einem feinsinnigen und musikalisch hochemotionalen Konzert wagte das Malion Quartett im Malersaal der Stadthalle Unerhörtes zu Gehör zu bringen. Die Auswahl der an diesem Abend dargebotenen Quartette hatte das international tätige Malion Quartett mit Bedacht zusammengestellt. Zunächst spielte es das als (unerwiderten) Liebesbeweis an eine Jugendliebe komponierte Es-Dur Quartett op. 12 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Es folgten die geheimnisvollen, bizarr-schönen Fünf Sätze für Streichquartett von Anton Webern sowie das romantische a-moll Quartett von Johannes Brahms.

Im Zusammenspiel perfekt aufeinander eingestimmt und als Solistinnen und Solist jederzeit wahrnehmbar, musizierte das junge Quartett auf höchstem Niveau. Die Moderation, die die Künstler selbst übernahmen, war gelungen frisch. Mit seiner Zugabe „Melodia“ des ukrainischen Komponisten Myroslaw Skoryk berührte das in Frankfurt beheimatete Ensemble die Herzen des Publikums.