Literarischer Jazz

Autorin Ana Marwan (links) mit Nicole Dietzel, der Leiterin der Stadtbücherei, und der Kunstvereins-Vorsitzenden Birgit Müller-Muth. Foto: Silvanus

Mit der slowenischen Autorin Ana Marwan war das Gastland der Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr in Hofheim vertreten. Ana Marwan las aus ihrem in Slowenien mit dem Kritikerpreis als bestes Buch des Jahres 2021 ausgezeichneten Roman „Verpuppt“.

In einem anregenden Gespräch mit der Moderatorin Birgit Müller-Muth entwirrte sie die miteinander verwobenen Handlungsstränge des Romans. Auf der ersten Handlungsebene wird die Beziehung zwischen Jeẑ und Rita erzählt. Der tragikomische Protagonist Jeẑ, der an eine Figur von Loriot erinnert, entpuppt sich auf der zweiten Handlungsebene als eine Fantasiefigur Ritas. Sie ist in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht und hat die therapeutische Aufgabe, über Jeẑ zu schreiben. Dabei dient ihr Sprache als Anker, denn die genaue und sensible Beobachterin Rita vermag ihre Außenwelt sehr gut zu beschreiben, wohingegen sie durch Selbstreflexion immer wieder in ein inneres Chaos geworfen wird. Rita entwickelt Schreibstrategien, die sie – wie Scheherazade aus 1001 Nacht – lebendig halten. Ein Vorgehen, das die Autorin auch für sich beanspruchen würde.

Dass die heranwachsende Protagonistin sich als Projektionsfläche eine männliche Figur wählt, erklärt Ana Marwan mit dem generischen Maskulinum, das alle Geschlechtsidentitäten umfasst und damit neutraler ist als eine weibliche Zuschreibung.

In den gelesenen Textauszügen wechseln sich komische Episoden, Reflexionen und rätselhafte Ideen ab. Bilder dürfen gerne einmal schräg oder krumm sein und improvisiert wirken. Im Zusammenspiel der Einzelteile ergibt sich das Ganze. Und so hat Ana Marwan auch nichts dagegen, wenn ihr Roman als „literarischer Jazz“ charakterisiert wird. (BMM)

Mit neapolitanischem Flair

Historische Instrumente: Alon Sariel mit der Theorbe und Christine Vogel mit der Gambe. Fotos: BMM

Bei dem diesjährigen Kooperationskonzert des Kunstverein Hofheim mit den Main-Taunus-Konzerten im Landratsamt drehte sich alles um das Jahresthema Tier – Mensch.

Viel Beifall für das achtköpfige Ensemble um Florian Streich (3.v.rechts).

Ein auf originalen Barockinstrumenten musizierendes Ensemble aus acht Profis der historischen Aufführungspraxis um den Cellisten und Ensembleleiter Florian Streich wusste die Gemüter und Emotionen der Zuhörer zu bewegen. Streich führte das begeisterte Publikum durch verschiedene Beispiele der Verwendung von Tierlauten und Tiermetaphern im Generalbasszeitalter. Als Interpret des Instruments des Jahres 2023, der Mandoline, hatte er zusätzlich den Mandolinisten und Lautenisten Alon Sariel einladen können, der neben seinem Continuospiel auf der Theorbe auch die Mandoline vorstellte und damit neapolitanisches Flair mit Emanuele Barbellas Mandolinenkonzert nach Hofheim brachte. 

Ein spannender Abend ging mit Kuhglockengeläut und der Zugabe „Guardame las Vacas“ aus der Renaissance zu Ende.

Auf ein Wort mit Sibylla

Besucher konnten eine Verwandlung am eigenen Körper erleben. Foto: BMM

Wer an einem sonnigen Herbstsamstag eine Führung mit Pascal Heß durch die Doppelausstellung Metamorphosis DOK in Flörsheim oder Bad Soden gebucht hatte, konnte nicht nur Wissenswertes über Sibylla Merian erfahren, sondern auch mit den ausstellenden Künstlerinnen ins Gespräch kommen. Nach seinem Impulsvortrag zu Merian verwickelte Pascal Heß spielerisch bei seinem Rundgang die anwesenden Künstlerinnen in ein Gespräch, indem er sie bat zu überlegen, worüber sie mit Sibylla Merian sprechen, was sie fragen würden, wenn dies möglich wäre.  

Die Themen waren erwartungsgemäß sehr unterschiedlich, geprägt von dem Interesse zu erfahren, wie viel Mut nötig war, um derartige Fernreisen zu wagen, wie Merian ein so selbstbestimmtes Leben führen konnte. Und es gab die interessierten Nachfragen, was sie heute malen, womit sie sich heute wissenschaftlich beschäftigen würde.

Das Gespräch wandte sich sodann der eigenen künstlerischen Position zu, die immer einen Verweis auf die Auseinandersetzung mit den Werken der erstaunlichen Naturforscherin und Künstlerin lieferte. Hier nur einige exemplarische Positionen:

Die Einheit von biomorphen und geometrisch-konstruktiven Formen greift Brigitte Sterz nach ihren ausgiebigen Besuchen in der naturhistorischen Sammlung des Museums Wiesbaden auf, während Jana Hartmann sich durch ihre Erfahrungen in der Corona-Zeit mit der Verlagerung des Naturerlebens in den virtuellen Raum beschäftigt. Das Künstlerpaar Zischg/Kolt will mit der Skulptur aus Marmor und Bienenwachs eine Interaktion völlig gegensätzlicher Naturmaterialien provozieren. Die Auseinandersetzung mit Verwandlungsmythen inspirierte Petra Straß zu Kostümobjekten, die Besucherinnen und Besucher am eigenen Körper tragen und auf diese Weise eine Verwandlung erleben konnten.

Sachkundige Gespräche und anregende Fragen machten die Führung schließlich zu einem veritablen Kunstgenuss. (BMM)