Für den Rückblick auf die ausverkaufte Veranstaltung mit Michael Kluger, dem Kulturchef der Frankfurter Neuen Presse, lesen Sie hier mit freundlicher Genehmigung des Höchster Kreisblattes den Text der Autorin Barbara Schmidt:

Hofheim. Erkennbar waren zahlreiche Kreisblatt-Leser der jüngsten Einladung des Kulturvereins zu einem restlos ausverkauften „Freitagabend im Museum“ gefolgt, um einmal jemanden live und leibhaftig zu erleben, dessen spitze Feder von vielen hoch geschätzt wird. Michael Kluger sei „nicht nur ein kompetenter Kulturchef, sondern auch ein begnadeter Glossenschreiber“, stellte Moderator Michael Lennartz den Gast vor, der mit ihm auf der kleinen Bühne Platz genommen hatte. „Stimmt“, kommentierte eine Dame im Publikum halblaut. Der so Gelobte zeigte sich überrascht über das große Interesse an seiner Person und am Thema „Das Feuilleton und die Kunst der Glosse“. Dass er sie beherrscht, zeigten drei erste Kostproben auch all denen, die nicht zu den Kreisblatt-Lesern zählten.
Dann ging’s hinein in die Geschichte des Feuilletons. Dessen zur Zeit der Französischen Revolution entstandener Name, der übersetzt „Blättchen“ oder „Beilage“ bedeute, mache deutlich, dass es eher als Zugabe zu den Zeitungsteilen gesehen worden sei, die den harten Nachrichten gehören, rief Germanist Kluger ins Gedächtnis. „Spinnefeind“ seien sich die ersten beiden Protagonisten des Feuilleton in Deutschland gewesen, der Frankfurter Ludwig Börne und der Düsseldorfer Heinrich Heine, erfuhren die Zuhörer. Offenkundig kein Einzelfall, denn Kluger stellte trocken fest: „Feuilletonisten sind sich nie sehr grün, das hat sich bis heute gehalten“.
“Eine Art Seismograph”
Längst sind es nicht nur Kulturkritiken von der Oper bis zum Schauspiel oder die Vorstellung neuer Bücher oder Filme, die das Feuilleton füllen. Die Frage: „Was ist das Neue der Zeit, wo sind die wichtigsten Tendenzen?“, beschäftige Kulturredakteure ganz grundsätzlich, machte Kluger deutlich. Das Feuilleton sei damit „eine Art Seismograph“ für die Veränderungen in der Gesellschaft, auf die es nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen, in Entwicklungen im Lokalen oder Regionalen, reflektiere.
Dass die Feuilletons von Frankfurter Neuer Presse und Frankfurter Allgemeiner Zeitung „schon zwei Welten“ seien: für den Feuilleton-Chef der FNP keine Frage. Aber neben „dem ganz großen Blick auf den Weltzustand“ sei eben Kultur auch auf regionaler Ebene „unglaublich wichtig“, zeigte sich Kluger überzeugt. Eine Stadt lebe ja nicht davon, dass Menschen morgens aufstünden, zur Arbeit gingen und abends wieder dort ins Bett sänken. Sie lebe davon, dass sich Menschen austauschten und einsetzten.
Dass manches von Zeitungsredaktionen nicht mehr im selben Umfang wie früher leistbar ist, weil Auflagenzahlen zurückgehen und gespart werden
müsse, verschwieg Kluger
nicht. Das könne man bedauern, es sei aber eben auch eine Folge veränderten Medienkonsums. Es werde nicht nur weniger Zeitung gelesen, es werde grundsätzlich weniger gelesen, so die nüchterne Feststellung. Dass es sie aber noch gibt, die Leser, und dass sie Qualität zu schätzen wissen, bekam der Kultur-Chef der FNP vom Publikum gespiegelt.
“Interview” mit Thomas Mann
Als Moderator Lennartz, bis zu seiner Pensionierung lange Jahre als Sport-Chef der FNP Ressortleiter-Kollege von Kluger, dessen gerade erst erschienenes fiktives Interview mit Thomas Mann erwähnte, gab es dafür spontanen Applaus. Die Idee dazu sei ihm gekommen, als er aus Anlass von Manns 150. Geburtstag in dessen Radioansprachen in der BBC gelesen habe, erfuhren die Zuhörer. „Das ist ja, als würde er heute die Gegenwart beobachten“, habe er gedacht. Wie er Fragen zur aktuellen politischen Entwicklung mit Manns historischen Einsichten kombiniert hat, hat Kluger viel Leser-Lob eingebracht – und auch im Hofheimer Stadtmuseum griffen am Ende, nach einem großen Abschluss-Applaus, viele gern noch einmal zu den Nachdrucken, die der Kunstverein ausgelegt hatte. Barbara Schmidt