
Mit kenntnisreichen Ausführungen zog die Kunsthistorikerin Corinne Elsesser zum Thema “Neues Bauen 1925 – 1930 in Frankfurt” die Besucher im Stadtmuseum in ihren Bann, was sich anschließend in einer lebhaften Diskussion mit vielen Nachfragen sowie weiteren anregenden Gesprächen bei einem Glas Wein niederschlug.
Um der Wohnungsnot in Frankfurt zu begegnen, hatte Oberbürgermeister Ludwig Landmann in den 1920iger Jahren ein umfangreiches Wohnungsbauprogramm initiiert. Durch den Zuzug von Flüchtlingen aus den besetzten Gebieten nach dem 1. Weltkrieg und den neuen Industriearbeitsplätzen gab es einen immensen Bedarf an Wohnraum, referierte Corinne Elsesser.
Als Stadtbaurat und Leiter des Stadtplanungsamtes holte Landmann Ernst May aus Breslau zurück in seine Heimatstadt Frankfurt, wo dieser in kurzer Zeit eine umfangreiche Stadtplanung vorlegte. May hatte bei einem Aufenthalt in England bei Raymond Unwin das Modell für eine planmäßige Stadtentwicklung des Briten Ebenezer Howard kennengelernt. Das Wachstum der Städte sollte in geordnete Bahnen gelenkt werden; neue Stadtgründungen („Trabantenstädte“) wurden um die Großstadt herum angelegt. Verbunden mit sozialreformerischen Ideen sollten die Menschen in einer gesunden Wohnumgebung leben – in hellen, praktischen Wohnungen, umgeben von Grün, mit Gärten zur Selbstversorgung und kurzen Wegen zu den Arbeitsstätten (Gartenstadt-Idee). Um einen Stadtkern herum, von dem aus die Verkehrsachsen sternförmig nach außen führten, wurden die Wohnviertel angeordnet.
Diese Ideal-Vorstellung verwendete May für seinen auf 10 Jahre angelegten Generalplan. Mit den Planungen füllte er die städtebaulichen Lücken und vervollständigte und erweiterte den Siedlungsring um den Stadtkern. In nur wenigen Jahren entstanden mehr als 12.000 Wohnungen für eher einkommensschwache Familien – funktionalistische Entwürfe, Typisierung und Standardisierung machten sie bezahlbar. Viele, vor allem auch junge Architekten, arbeiteten mit an der Umsetzung, von denen einige später berühmt wurden wie Mart Stam, Herbert Boehm, Ferdinand Kramer, Margarete Schütte-Lihotzky. Martin Elsaesser war als Leiter des Hochbauamtes für Großbauten zuständig – unter anderem für die Großmarkthalle, Schulen, Umgestaltung des Gesellschaftshauses im Palmengarten.
Bedingt durch finanzielle Probleme aufgrund der Weltwirtschaftskrise und sich verändernder politischer Verhältnisse konnte leider der städtebauliche Gesamtplan nicht vollendet werden. So fehlt z.B. bei der Bebauung des Bornheimer Hangs die Vervollständig des Bau-Kreises hin zu den Niddawiesen, erläueterte Corinne Elsesser.
May folgte mit einem Stab von Architekten 1930 einem Angebot aus Moskau, wo er unter anderem neue Megastädte plante wie Magnitogorsk. Nach Jahren in Afrika kehrte er in den 50-er Jahren nach Deutschland zurück und wirkte bundesweit mit beim Bau von „Trabantenstädten“ – sozialen Großsiedlungen der Neuen Heimat. Auch andere am Neuen Bauen Beteiligte mussten wegen ihrer jüdischen Abstammung Frankfurt verlassen. Der so engagierte OB Landmann versuchte schließlich in den Niederlanden unterzutauchen, verhungerte am 5. März 1945 aber kläglich in seinem Versteck. HB