
Der Kunstverein lud ein zum „Freitag Abend im Museum“ und das Foyer war ausverkauft. Zu Gast war Dr. Matthias Eigelsheimer, als Germanist und Philosoph ein profunder Kenner Thomas Manns. Im zweifachen Jubiläumsjahr (1875 geboren und 1955 gestorben) ging es dieses Mal nicht um den Autor großer Romane wie die Buddenbrocks (für den er schon 1929 den Nobelpreis für Literatur erhielt), Zauberberg oder die Josephsromane, sondern um den politisch denkenden und sich artikulierenden Thomas Mann.
Angelika Schriever-Steinberg vom Kunstverein führte in das Thema ein und wies darauf hin, welche grundlegenden Änderungen sich im politischen Denken des Autors feststellen lassen: Verklärte er in den 20er-Jahren noch die Monarchie und den Obrigkeitsstaat, entwickelte er sich zum radikalen Kritiker Hitlers und Nazi-Deutschlands.
Dr. Eigelsheimer führte anhand des 1945 im amerikanischen Exil gehaltenen Vortrags „Deutschland und die Deutschen“ in die Gedankenwelt Thomas Manns ein. Wie kann ein derart kulturell hoch entwickeltes Volk in die Katastrophe und den Abgrund der Perversion stürzen? Nach Thomas Mann – so die luziden Ausführungen des Referenten – besteht eine Kontinuität in der deutschen Geschichte und Kultur seit der Reformation, die eine besondere deutsche Mentalität hervorgebracht hat. Während des Parforceritts durch die deutsche Kulturgeschichte ,wie Thomas Mann sie sah, hätte man eine Stecknadel fallen hören können, so interessiert und angespannt schien das Publikum.
Im anschließenden Gespräch zwischen Dr. Eigelsheimer und Angelika Schriever-Steinberg wurde die These auch kritisch hinterfragt. Gibt es angesichts der Migration (noch) so etwas wie einen deutschen Volkscharakter? Wirkt die verstärkte Integration Deutschlands in die Europäische Union dem nicht entgegen? Gibt es eine Art Kontinuität in der wiedererstarkten Rechten?
Daraus entwickelte sich eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum, die bei Wein und Häppchen noch weiterging. ass
