Die Welt neu romantisieren!

Von der Kunstvereins-Vorsitzenden Birgit Müller-Muth (links) moderiert las Marion Poschmann aus ihrem Essay “Laubwerk”. Foto: Miriam Block

In voll besetzter Stadtbücherei fand die diesjährige Lesung zur Buchmesse statt. Die amtierende Stadtschreiberin von Bergen Enkheim, Marion Poschmann, las aus ihrem preisgekrönten Essay „Laubwerk“. Mit Bildern illustrierte sie, was sie in poetischer Sprache über unseren Umgang mit Bäumen klug, humorvoll und kritisch beschreibt: die kulturellen Unterschiede in der Wahrnehmung der Herbstsaison, die symbolische Bedeutung von Baum- und Blattmotiven in Literatur und Ornamentik, die Reaktion auf den Klimawandel durch Pflanzung anpassungsfähiger Baumarten.

Der Vortragston ihrer poetischen Reflexionen war gut gewählt und zog die Zuhörerinnen und Zuhörer in den Bann. Mit feiner Ironie wies sie auf die Umbenennung von „Sumpf-Eiche“ in „Spree-Eiche“ im Berliner Regierungsviertel hin. Mit Zahlen, Daten und Fakten veranschaulichte sie, dass Neupflanzungen von Bäumen nur ein Teil der Lösung zur Feinstaubfilterung und Verbesserung der Luftqualität ist und nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass es dringend um die Bewahrung des alten Baumbestandes gehen muss.

Eine beeindruckende Kostprobe davon, wie sie Naturerleben in ihrer Lyrik verarbeitet, gab Frau Poschmann mit einem Gedicht, das sie zu einem Gemälde von Jacob Isaackszoon Ruisdael geschrieben hat.

Die Frage, ob die Welt romantisiert werden muss, wie Novalis es im 19. Jahrundert forderte, beantwortete sie mit dem Hinweis darauf, dass es dabei nicht um eine romantisierende Verklärung der Welt gehen kann. Vielmehr kann man diesen Gedanken in der Folge der Aufklärung als Forderung der Vernunft verstehen, die dazu anregt, die Fragilität und Einzigartigkeit der Natur und der in ihr lebenden Wesen wahrzunehmen und ihnen mit Respekt zu begegnen. Unter ökologischen Gesichtspunkten gewinnt diese Position eine hohe Aktualität.