
Eine Führung durch die Römerstadt am 10. Mai sollte das, was Kunsthistorikerin Corinne Elsesser in ihrem Vortrag im April so sachkundig referiert hatte, illustrieren. Das Mitglied der Ernst-May-Gesellschaft, der Journalist Oscar Unger, führte beredt und launig die 19 Teilnehmer. Nach einer Einführung auf der dem May Haus gegenüberliegenden Bastion mit Blick in das Niddatal hatten alle Teilnehmer die Gelegenheit, das original wiederhergestellte May-Haus mit seiner genau durchdachten Raumplanung anzuschauen.
Besonders eindrücklich waren die Details der Küchenplanung von Margarete Schütte-Lihotzky – um die in der Küche arbeitende Hausfrau zeitsparend zu entlasten, war alles sehr funktionalistisch durchgeplant auf kleinem Raum, etwa mit Schütten für die Aufbewahrung der Lebensmittel, ausziehbaren Abstellflächen oder dem an der Wand befestigten, abklappbaren Bügelbrett in Griffweite zu dem auf dem Herd erhitzten Bügeleisen. Diese Küche gilt als Ur-Modell unserer Einbauküchen und wird als „Frankfurter Küche“ in Museen weltweit ausgestellt – unter anderem im MoMa in New-York
Die Helligkeit der Wohnräume und die klare, durchdachte Struktur begeisterten die Besucher.
Die Häuser der Römerstadt gehören dem Städtischen Wohnungsbaukonzern ABG, auch wenn manche schon lange in Familienhand sind. Beim Gang durch die Straßen sahen wir den unterschiedlichen Erhaltungszustand, und Oscar Unger machte aufmerksam auf nicht denkmalgerechte Dämmung, dem jeweiligen Zeitgeist geschuldete „neue“ Eingangstüren und andere unterschiedliche, leider nicht einheitlich gestaltete „Modernisierungen“.
Zu den Häusern gehören jeweils Gärten, geplant zur Selbstversorgung und zum Aufenthalt im Freien. Auch zu den Wohnungen gehörten Kleingärten – unterhalb der Bebauung liegen zum Niddatal hin mehrere Kleingartenanlagen.
Die Häuser in der Römerstadt waren eher für den Mittelstand geplant, während andere Siedlungen „Wohnungen für das Existenzminimum“ schaffen sollten. Die Römerstadt war die erste voll elektrifizierte Wohnsiedlung, und überhaupt gestaltete das Neue Bauen seine Gebäude auf dem neuesten Stand moderner Technik.
Da auch die Versorgung wohnungsnah sein sollte, wurden Kindergärten, Schulen – wir passierten die Geschwister-Scholl-Schule –, Gemeinschaftsräume und Geschäfte (im Erdgeschoß des langen, entlang des Straßenverlaufs geführten Gebäudes an der Hadrianstraße, das durch die Krümmung und die „Bullaugenfenster“ an ein Schiff erinnert) mitgeplant.
Die Führung endete im Modellgarten der May-Gesellschaft mit dem wiederhergestellten originalen Gartenhaus von Margarete Schütte-Lihotzky. Alle Teilnehmer erfreuten sich an den lebendigen Ausführungen von Oscar Unger, und auch das schöne Wetter mit angenehmen Temperaturen und blauem Himmel trug zur guten Stimmung bei. HB