Wie die Demokratie in kurzer Zeit ausgehebelt wurde

Uwe Wittstock untermalte die Geschehnisse im Februar 1933 mit historischen Aufnahmen. Foto: ML

Gebannt und konzentriert verfolgten fast 70 Besucher die Worte Uwe Wittstocks. Der Autor las aus seinem 2021 erschienenen Buch “Februar 33 – der Winter der Literatur” und ergänzte die Lesungen mit zahlreichen Einschüben, Beschreibungen und Erklärungen. Fotos von Orten und Schriftstellern illustrierten das Erzählte.

Von Tag zu Tag beschreibt Uwe Wittstock in seinem Buch die sechs Wochen seit der Einsetzung Hitlers als Reichskanzler durch Hindenburg am 30. Januar 1933 bis zur Wahl im März. Kaum zu Macht gekommen brachen sich die Nazis Bahn und fraßen sich mit ihren Schlägertrupps und Unterorganisationen wie eine Krake ins Land – die Demokratie wurde in kurzer Zeit ausgehebelt.

Befragt wie er die Geschehnisse jeden Tages so genau wiedergeben konnte, verwies Wittstock darauf, dass Schriftsteller vielfach Aufzeichnungen, Protokolle, Berichte und Tagebücher hinterlassen hätten und so alles genau dokumentiert und belegbar sei. Auch das sei ein Grund gewesen, sich bei seinem Buch auf die Literaten zu konzentrieren. Denn natürlich stünden die Schriftsteller mit ihren Erlebnissen von Verunsicherung, Bedrängung, Einschüchterung, persönlichem Verhalten und Entscheidungen, Vorahnungen und auch mit hastiger Flucht exemplarisch für andere Künstler, Intellektuelle und die anderen von den Nazis mehr und mehr Verfolgten, was aber vielfach nicht so umfänglich dokumentiert sei.

So entstand für die Zuhörer eine Ahnung wie eine extreme Ideologie die Demokratie untergräbt und mehr und mehr erstickt. Plötzlich war das Gehörte nicht mehr nur historische Beschreibung, sondern wies auf aktuelle Erfahrungen hin wie ein demokratisch gewählter Präsident demokratische Institutionen mit radikalen Kräften verändert, wie extremistische Parteien nie für möglich gehaltene Gewinne bei Wahlen erreichen, wie extreme Parolen sich öffentlichen Raum nehmen.

Was tun? „Die demokratische Mitte muß es machen“, meinte Uwe Wittstock. Auch nach der Lesung gab es bei einem Glas Wein noch reichlich Gesprächsstoff. HB